Nicole Friedrich: Verteidigung im Jugendstrafverfahren – Erziehungsgedanke in Gefahr?
Referentin: Rechtsanwältin Nicole Friedrich, Fachanwältin für Strafrecht, Kanzlei Versick & Friedrich, Minden
Die Verteidigung von Jugendlichen und Heranwachsenden stellt besondere Anforderungen an die Rechtsanwältin/den Rechtsanwalt. Effektive Verteidigung im Jugendstrafverfahren setzt besondere Qualifikationen voraus. Sie muss die zahlreichen Besonderheiten des materiellen und prozessualen Rechts im Blick haben und zugleich mit den speziellen Problemen des jungen Mandanten umgehen. Zugleich kommt der Rechtsanwältin/dem Rechtsanwalt bei der Verteidigung oft eine über die bloße Anwaltstätigkeit hinausgehende Rolle zu. Der beherrschende Grundsatz „Erziehen statt strafen“ eröffnet für die Verteidigung einen größeren Spielraum als dies beim erwachsenen Mandanten der Fall ist.
Allerdings sieht die aktuelle Rechtsprechung einen Bedarf, die Regelungen des JGG stärker für die Belange des Schuldausgleichs zu öffnen. Der 5. Strafsenat beabsichtigt nach seinem Beschluss vom 13.09.2023 (5 StR 205/23) zu entscheiden, dass die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG, bei der wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist, nicht voraussetze, dass bei dem Angeklagten eine Erziehungsbedürftigkeit oder –fähigkeit festgestellt werden kann.
Das Seminar setzt sich mit den für die Verteidigung in Jugendstrafverfahren erforderlichen besonderen Kenntnissen und der aktuellen Rechtsprechung auseinander. Das Seminar hat folgende Schwerpunkte:
· Der junge Mandant und seine Rechte
· Erziehungsgedanke und Verteidigungsstrategie
· Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren in Kraft getreten zum 17.12.2020 und das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, in Kraft getreten am 13.12.2019
· Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung gem. §§ 68 ff. JGG i.V.m. §§ 140 ff. StPO
· Stärkere Einbindung der Jugendgerichtshilfe, §§ 38 Abs. 3, 4 und 7, 46 a, 50 Abs. 3, 70 Abs. 2 JGG
· Auskunfts- und Informationsrechte, §§ 70 a JGG
· Audiovisuelle Aufzeichnung von Vernehmungen, § 70 c JGG
· Verankerung des Zweifelssatzes in § 1 Abs. 3 JGG
· Erfahrungen und Rechtsprechung zu den Neuregelungen
· Umgang mit der in der Praxis festzustellenden Tendenz zum Schuldstrafrecht insbes. bei Verhängung von Jugendstrafen wegen Schwere der Schuld
Fr, 06. Dezember 2024: 7,5 Std. (3 x 2,5h) Strafrecht an einem Tag - einzeln buchbar:
08.30-11.15 Uhr (2,5h) Part 1: Arno Baltes: Aktuelle BGH-Rechtsprechung zu strafprozessualen Fragen
11.45-14.30 Uhr (2,5h) Part 2: Nicole Friedrich: Verteidigung im Jugendstrafverfahren – Erziehungsgedanke in Gefahr?
15.00-17.45 Uhr (2,5h) Part 3: Oliver Chama: Kinderpornographie – Aktuelle Rechtsprechung, erneute Änderung der Strafrahmen und sachgerechte Verteidigungsansätze