Prof. Dr. Karl Maier: Neues zur Kaskoversicherung, insb. zu Unfallflucht nach § 142 StGB, Alkohol und Drogen in der Kfz-Versicherung, Tarifmerkmale in der Kraftfahrtversicherung
Referent:
Prof. Dr. Karl Maier, Direktor der Forschungsstelle Versicherungsrecht am Institut für Versicherungswesen (IVW) der TH Köln
Bei der Regulierung der meisten Unfallschäden im Straßenverkehr stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Kaskoversicherung des Mandanten in Anspruch zu nehmen.
Ziel dieser Fortbildungsveranstaltung ist es, die wichtigsten Grundlagen der Kaskoversicherung anhand der aktuellen Rechtsprechung zu wiederholen. Im Focus stehen insbesondere die versicherten Ereignisse (Diebstahl, Wildschaden, Überschwemmung, Unfall), aber auch die Abrechnung des Kaskoschadens. Sodann werden die wichtigsten Einwendungsmöglichkeiten des Kaskoversicherers (grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls durch Alkoholisierung, Obliegenheitsverletzungen durch falsch ausgefüllten Fragebogen oder Verkehrsunfallflucht) behandelt.
1. Die versicherungsrechtlichen Folgen einer Unfallflucht nach § 142 StGB
Eine Strafverteidigung wegen § 142 StGB zählt zur anwaltlichen Routine. Dabei wird oft übersehen, dass in praktisch allen Fällen eine Verkehrsunfallflucht auch ein versicherungsrechtliches Nachspiel hat, bei dem der Mandant dringend auf anwaltlichen Rat angewiesen ist.
In der Kfz- - Haftpflichtversicherung droht dem Fahrer ein Regress bis zu 5000 €, in der Kaskoversicherung kann sich der Versicherer auf vollständige Leistungsfreiheit berufen.
Hier ist es aus Sicht des Rechtsanwalts, der den Fahrer vertritt, unabdingbar, die denkbaren versicherungsrechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten zu kennen. Das betrifft nicht nur die auch im Strafrecht auftretenden Probleme (liegt ein Unfall vor, hat der Fahrer diesen bemerkt), vielmehr stellen sich im Versicherungsrecht weitere Kausalitäts- und Beweislastfragen. So wird immer wieder übersehen, dass der Versicherer die Beweislast für die Verletzung der Wartepflicht durch den Fahrer trägt. Von Bedeutung ist auch, ob der Versicherer durch die Unfallflucht wirklichen in seinen Erkenntnismöglichkeiten beeinträchtigt worden ist und ob der Fahrer nicht den Beweis mangelnder Kausalität führen kann. Dabei stellt sich die Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob bei einer Unfallflucht von Arglist auszugehen ist. Dass jedenfalls eine Benachrichtigung des Versicherungsvertreters genügt, hat der BGH (BGH IV ZR 97/11) schon vor einigen Jahren entschieden.
Von besonderer Bedeutung sind zwei Urteile der Oberlandesgerichte Dresden (Urt. v. 27.11.2018 - 4 U 447/18) und Celle (Urt. v. 25.03.2019 - 8 U 210/18), wonach § 142 Abs. 2 StGB (Pflicht zur nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen) mangels ausreichender Fassung in den Versicherungsbedingungen (E. 1.1. 3AKB) im Versicherungsrecht nicht angewendet werden darf. Einige Versicherer reagieren hierauf in neueren Bedingungswerken, die entsprechenden Neufassungen werden kritisch unter die Lupe genommen.
2. Alkohol und Drogen in der Kfz-Versicherung
• Folgen in der Kaskoversicherung (OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.4.2014-9U135/13; OLG Saarbrücken Urt. v. 30.10.2014-4U 165/13; OLG Dresden Beschluss v. 13.11.2017-4U1121/17)
• Folgen in der Kfz – Haftpflichtversicherung (AG Hamburg-St.Georg, Urt. v. 19.02.2020 – 916 C 315/19)
3. Tarifmerkmale in der Kraftfahrtversicherung
Kaum ein Versicherungsvertrag wird im Kraftfahrtbereich geschlossen, ohne dass die Höhe der Prämie von bestimmten Tarifmerkmalen wie Jahreslaufleistung, eigene Garage, eingeschränktem Nutzerkreis abhängig gemacht wird. Immer wieder verstößt der Versicherungsnehmer (oft) ungewollt gegen die vereinbarten Tarifbestimmungen. Dies löst eine im Regelfall unbegründete Sorge um den Versicherungsschutz aus, häufig wird von den Versicherern aber eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 € abgezogen - ohne dass hierfür eine ausreichende rechtliche Grundlage besteht. Daher sollen die genauen Voraussetzungen einer etwaigen Vertragsstrafe und denkbare Einwendungsmöglichkeiten des VN dargestellt werden.
Folgende Entscheidungen werden insb. besprochen:
• LG Magdeburg, Urt. v. 11.9.2018 – 11 O 217/18; AG Berlin-Charlottenburg 217 C 30/18; AG Gelsenkirchen SP 2011, 229; LG Dortmund, Urt. v. 10.07.2014 - 2 O 261/13
• Versuchen der Versicherer, die Musterbedingungen des GDV zu Ihren Gunsten zu ändern, hat das LG Koblenz eine Absage erteilt (LG Koblenz, Urteil vom 01.09.2021 – 16 S 2/21)