Die Verteidigung von Jugendlichen und Heranwachsenden stellt besondere Anforderungen an Verteidigerinnen und Verteidiger. Effektive Verteidigung im Jugendstrafverfahren setzt besondere Qualifikationen voraus. Sie muss die zahlreichen Besonderheiten des materiellen und prozessualen Rechts im Blick haben und zugleich mit den speziellen Problemen des jungen Mandanten umgehen. Zugleich kommt der Rechtsanwältin/dem Rechtsanwalt bei der Verteidigung oft eine über die bloße Anwaltstätigkeit hinausgehende Rolle zu. Der beherrschende Grundsatz „Erziehen statt strafen“ eröffnet für die Verteidigung einen größeren Spielraum als dies beim erwachsenen Mandanten der Fall ist.
Allerdings hat die aktuelle Rechtsprechung die Regelungen des JGG stärker für die Belange des Schuldausgleichs geöffnet. Der BGH hat mit Urteil vom 04.06.2024 entschieden, dass die Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG nicht voraussetze, dass bei dem Angeklagten eine Erziehungsbedürftigkeit oder –fähigkeit festgestellt werden kann.
Das Seminar setzt sich mit den für die Verteidigung in Jugendstrafverfahren erforderlichen besonderen Kenntnissen und der aktuellen Rechtsprechung auseinander.
Der Schwerpunkt des Seminars liegt auf der Vermittlung von in der täglichen Verteidigungspraxis anwendbaren Kenntnissen und Fertigkeiten auch anhand von Fallbeispielen. Das Seminar hat folgende Schwerpunkte:
· Der junge Mandant und seine Rechte
· Erziehungsgedanke und Verteidigungsstrategie
· Darstellung der neu eingeführten Informationspflichten und deren Auswirkungen, insb. auf den Erstkontakt des jungen Beschuldigten mit der Polizei und auf das sog. Elternkonsultationsrecht
· Darstellung der Neuregelungen der Pflichtverteidigung im Jugendstrafrecht mit Fallbeispielen und Tipps
· Rolle und Bedeutung der Jugendgerichtshilfe für die Verteidigung, §§ 38 Abs. 3, 4 und 7, 46 a, 50 Abs. 3, 70 Abs. 2 JGG
· Auskunfts- und Informationsrechte, §§ 70 a JGG
· Audiovisuelle Aufzeichnung von Vernehmungen, § 70 c JGG
· Verankerung des Zweifelssatzes in § 1 Abs. 3 JGG
· Erfahrungen und Rechtsprechung zu den Neuregelungen
· Umgang mit der in der Praxis festzustellenden Tendenz zum Schuldstrafrecht insbes. bei Verhängung von Jugendstrafen wegen Schwere der Schuld
· Besonderheiten bei Bundeszentralregister/Führungszeugnis und Erziehungsregister