Die korrekte Wertermittlung im Schadengutachten zum merkantilen Minderwert
Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind dem Geschädigten diejenigen Aufwendungen vom Schädiger zu ersetzen, die sich bei subjektiver Schadenbetrachtung im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft halten. Innerhalb dieses Rahmens bis zur Schranke des Bereicherungsverbots ist der Geschädigte in der Wahl der Mittel zur Schadenbehebung frei. Um dieses Wahlrecht überhaupt ausüben zu können, benötigt ein Geschädigter allerdings eine verlässliche Grundlage. Wie der BGH schon in seiner Restwertentscheidung (VI ZR 316/09) klarstellte, darf ein Geschädigter bei seiner Disposition grundsätzlich auf ein von ihm beauftragtes Kfz-Sachverständigengutachten vertrauen, wenn das Gutachten eine „korrekte“ Wertermittlung erkennen lässt. Dieser Grundsatz lässt sich auf alle sachverständig zu ermittelnden Werte übertragen, die für die Schadenregulierung von Bedeutung sind. Weder ist der Geschädigte verpflichtet, sein Fahrzeug zu reparieren, noch muss er es im Totalschadenfall zum Restwert veräußern. Er könnte sogar bei nachweislich durchgeführter Reparatur, Instandsetzungskosten verlangen, die den Wiederbeschaffungswert bis zur Integritätsgrenze übersteigen. Für seine Entscheidung benötigt der Geschädigte dann allerdings belastbare Angaben.
Was genau eine korrekte Wertermittlung durch einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen beinhalten muss, wird Inhalt des Vortrags sein, wobei der Schwerpunkt auf der Ermittlung des merkantilen Minderwertes liegen wird.
Entscheidungen des BGH zur Ermittlung des merkantilen Minderwertes und die praktische Umsetzung im Kfz-Schadengutachten
Mit den Entscheidungen vom 16.07.2024 (VI ZR 188/22, VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23) klärte der BGH nicht nur eine wichtige Streitfrage - ist der merkantile Minderwert steuerneutral? Der VI. Senat geht noch weiter und legt als Ausgangspunkt der Ermittlung dieser Schadenposition einen neuen Wert fest: Den bei einem hypothetisch anzunehmenden Verkauf vor dem schädigenden Ereignis für das Fahrzeug erzielbaren Netto-Verkaufspreis. Der BGH geht in seinen Minderweirtentscheidungen von vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten aus und stellt anhand einer Vergleichsberechnung dar, dass sich ein Geschädigter bei einer Ermittlung des Minderwertes aus dem Bruttoverkaufspreis unzulässigerweise bereichern würde. In der Konsequenz unterscheidet der BGH dann nicht zwischen einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten und einem privat Geschädigten.
Lediglich die spannende Frage, welchen (hypothetischen) Kaufpreis ein privat Geschädigte im Vergleich zu einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten erreichen würde, ließ der BGH offen, da dies keine rechtliche, sondern eine tatsächliche Frage ist. Tatsächliche Fragen zur Schadenermittlung zu beantworten, ist eine der Kernkompetenzen qualifizierter Kfz-Sachverständiger. Der Bundesverband der der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK), hat sich daher aus Sicht der Praxis intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Die Ergebnisse der Diskussion innerhalb des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen werden auf dem Petersberg vorgestellt.
14:45 Uhr: Vortrag Stephan Handschug, Rechtsanwalt, Detmold:
Der Regress der Rechtsschutzversicherer – ein Angriff auf die Anwaltschaft?
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19 – zum Regress des Rechtsschutzversicherers gegen den Rechtsanwalt wegen unzureichender Beratung des Mandanten über mangelnde Erfolgsaussichten Stellung bezogen.
Diese Entscheidung hat in der Anwaltschaft eine erhebliche Unruhe verursacht, da diverse Rechtschutzversicherer dieses Urteil zum Anlass genommen haben und auch nach wie vor zum Anlass nehmen, eine Vielzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus übergegangenem Recht wegen eines angeblichen Beratungsfehlers in Regress zu nehmen.
Das Referat behandelt die Fragen, wie weitreichend die Pflicht zu einer Beratung über die Erfolgsaussichten ist, wann diese einsetzt und wann sie endet. Thematisiert werden auch Haftungsfallen und Verteidigungsstrategien für den Fall, dass sich eine Anwältin oder ein Anwalt einem von einem Rechtsschutzversicherer initiierten Schadensersatzprozess ausgesetzt sieht, auch und gerade im Lichte weiterer Entscheidungen von Oberlandesgerichten und dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2024 – IX ZR 38/23.
15:30-16:00 Uhr: Pause
16:00 Uhr: Vortrag Dr. Thomas Almeroth, Rechtsanwalt, Friedberg/Hessen und Lehrte; Ansgar Klein, Geschäftsführender Vorstand BVfK:
Die Batterie von E-Autos – eine rechtliche Herausforderung für den Gebrauchtwagenhandel?
Die Batterie von Elektroautos, insbesondere der rein batterieelektrischen Fahrzeuge (sog. BEV’s), ist deren Herzstück. Antriebsbatterien gehören mit zu den teuersten Teilen solcher Autos; ist sie am Ende, kann – gerade bei älteren Autos – auch das Fahrzeug am Schluss seiner Lebensdauer angekommen sein. Auch wenn neue Studien belegen, dass die durchschnittlich zu erwartende Lebenszeit der Antriebsbatterie mit bis zu 15 Jahren deutlich länger ist als zu Beginn der Elektromobilität angenommen, hängt sie doch sehr stark von der Art der Nutzung, insbesondere von der Anzahl der Schnelllade-Zyklen ab. Das konkrete Nutzungsverhalten der Vorbesitzer aber ist weder für den Verkäufer noch für den Käufer eines batterieelektrischen Gebrauchtwagens erkennbar. Zwar gibt es verschiedene Versuche, den Batteriezustand, den sog. „State of Health“ auch ohne entsprechende Informationen seitens der Autohersteller zu ermitteln, jedoch scheinen diese aktuell noch in den Kinderschuhen zu stecken, sind jedenfalls noch nicht allgemein verfügbar.
Normalerweise sind Gebrauchtwagenhändler immer ganz vorne dabei, wenn es gilt, neue Märkte zu erobern. Bei Elektroautos ist das jedoch gänzlich anders, denn die Sorge vor Haftungsrisiken ist groß. Es stellt sich nicht nur die Frage, wer zahlt gegebenenfalls die hohen, fünfstelligen Kosten für die Reparatur, wenn nicht gar Erneuerung einer nicht mehr funktionstüchtigen Antriebsbatterie, sondern, wieviel Akkukapazität kann man eigentlich bei einem gebrauchten Stromer noch erwarten? „Es kommt drauf an“ reicht dann als Antwort nicht mehr aus, denn es fehlt das „worauf“, da es weder Erfahrungswerte noch gefestigte Rechtsprechung darüber gibt, was denn bei welcher Laufleistung und welchem Alter normal oder unnormal und damit mangelhaft ist. Noch schwieriger wird es, wenn man bedenkt, dass sich die gängigen Faktoren wie Alter und Laufleistung nicht in der bei Verbrennern gewohnten Weise auf die Lebensdauer auswirken. Wie soll der Autohändler also die vom Kunden erwartete Transparenz herstellen? Wie kann er über Abweichungen vom Normalzustand informieren, wenn der Normalzustand nicht definiert ist?
Was ist also im Gebrauchtwagenhandel mit Elektrofahrzeugen das Gebot der Stunde, um unkalkulierbare rechtliche und damit auch wirtschaftliche Risiken zu vermeiden? Es stellen sich viele Fragen etwa zu Gewährleistung (Sachmangelhaftung) und Garantie solcher Fahrzeuge:
– Wie ist die „vertragsgemäße Beschaffenheit“ gebrauchter E-Fahrzeuge zu definieren?
– Wo liegt die Abgrenzung zwischen natürlichem Verschleiß und Sachmangel?
– Wie kann die vertragliche Zustandsbeschreibung gebrauchter Elektrofahrzeuge sinnvoller Weise aussehen?
– Welche Haftungsbeschränkungen sind rechtlich möglich, wenn der Zustand der Antriebsbatterie weder für den Verkäufer noch für den Käufer verlässlich zu erkennen ist?
– Welche Unterschiede gibt es zwischen B2B und B2C Geschäften?
– Welche Bedeutung haben Haltbarkeitsprognosen?
– Inwieweit geben Herstellergarantien Sicherheit bei Fahrzeugen, die noch innerhalb der Neuwagen-Garantiefrist liegen?
– Ist es möglich, bestehende Risiken durch Gebrauchtwagengarantien abzudecken?
– Gibt es bereits belastbare Gerichtsurteile oder wenigstens Literaturstimmen, die als Richtschnur herhalten können?
Mit diesen und noch viel mehr Fragen werden sich Rechtsanwalt Dr. Thomas Almeroth und BVfK-Vorstand Ansgar Klein am 18. März beim 18. Deutschen Autorechtstag auf dem Petersberg beschäftigen, um Licht ins Dunkle und die Rechtssicherheit für Händler und Ihre Kunden zu verbessern.